Juni 2022
Unternehmensnachfolge – Formen und Trends in der Schweiz
Sie gilt als eine der wichtigsten Entscheidungen im Leben eines Unternehmers: Die Nachfolgeregelung. Grundsätzlich gibt es für KMU-Unternehmer vier verschiedene Möglichkeiten*, ihre Unternehmensnachfolge zu lösen:
- Family Succession (FS): Familien-interne Nachfolgelösung mittels Geschäftsübernahme durch die nächste Generation
- Management Buy-out (MBO): Firmen-interne Lösung durch Übernahme eines bestehenden Management-Teams
- Management Buy-in (MBI): Firmen-externe Lösung durch Übernahme eines aussenstehenden Management-Teams
- Verkauf an eine Drittpartei (M&A), in der Regel ein strategischer Käufer oder Finanzinvestor
Seit einigen Jahren ist in der Schweiz vor allem bei mittleren und grösseren KMU ein Trend zu tendenziell weniger FS / MBO Lösungen und mehr MBI / M&A Transaktionen zu beobachten. Es gibt eine Reihe von Gründen, welche aus unserer Sicht dafür in Frage kommen können:
- Im Gegensatz zu früher sind Unternehmer heute öfters damit konfrontiert, dass ihre Nachkommen kein Interesse an einer Übernahme des familieneigenen Betriebs zeigen. Der Grund dafür dürfte in attraktiven alternativen Karrieremöglichkeiten sowie einem grundsätzlich höheren Drang zur Selbstverwirklichung zu suchen sein.
- Das MBO als Nachfolgeform wird primär durch fehlende finanzielle Möglichkeiten des bestehenden Management-Teams eingeschränkt. Oftmals ist ein Unternehmer nicht bereit, in einer Transaktion mit einem familien-externen Käufer signifikante Zugeständnisse beim Kaufpreis oder der Transaktionsstruktur zu machen. Im Weiteren wird es aufgrund der allgemein steigenden Komplexität (Markt, Wettbewerb, Entwicklung, etc.) für interne Management-Teams immer anspruchsvoller, eine Firma erfolgreich weiterzuentwickeln.
- Die Nachfolgeformen M&A und MBI ermöglichen es einem Unternehmer, die optimale Nachfolgelösung auf dem freien Markt zu suchen. Bei diesen beiden Nachfolgeformen gibt es tendenziell weniger Restriktionen (keine Beschränkung auf Familie bzw. auf das bestehende Management-Team) und mehr Optionen (breite Käufersuche, strategische Käufer vs. Finanzinvestoren) als bei den Formen FS und MBO.
Je nach Wahl bzw. Favorisierung der obengenannten Nachfolgeformen durch den Unternehmer sind entsprechend unterschiedliche Vorbereitungen erforderlich. Falls verschiedene Nachfolgeformen in Frage kommen und (gegebenenfalls nacheinander) geprüft werden sollen, gestaltet sich die Vorbereitungsphase typischerweise komplexer und nimmt mehr Zeit in Anspruch.
Ganz allgemein und im Speziellen unter Berücksichtigung der oben beschriebenen Trends, sollte jeder Unternehmer im Hinblick auf die eigene Nachfolge einige Handlungsempfehlungen beachten:
- Frühe Abklärung, welche Nachfolgeformen in Frage kommen und welche vom Unternehmer präferiert wird
- Zusätzliche Evaluation, welches die beste Nachfolgevariante für das Unternehmen und seine Stakeholder ist
- Wahl der am besten geeigneten Nachfolgeform durch ein systematisches Vorgehen nach dem Ausschlussprinzip (FS –> MBO –> MBI / M&A)
- Frühzeitige Adressierung und Vorbereitung des Nachfolgeprozesses, da bis zum Abschluss 3-5 Jahre oder mehr vergehen können
- Rechtzeitige Identifikation und Einleitung von individuellen Vorbereitungsmassnahmen für die präferierte Nachfolgeform
Die in diesem Beitrag aufgezeigten Trends, Implikationen und Empfehlungen zeigen die hohe Komplexität der Unternehmensnachfolge auf. Es handelt sich um eine Thematik, welche familiäre, unternehmensspezifische, marktliche, finanzielle, rechtliche, soziale und andere Aspekte in jeweils unterschiedlicher Ausprägung und Intensität beinhaltet. Dadurch gibt es kein «richtig» oder «falsch», jede Nachfolgesituation stellt sich jeweils anders dar und benötigt eine individuelle und massgeschneiderte Lösung.
* Die zusätzlichen zwei Varianten Börsengang (IPO) und Liquidation wurden hier nicht beleuchtet, da sie aus einer KMU-Perspektive nur selten in Frage kommen (IPO) oder kaum angestrebt werden / erwünscht sind (Liquidation).